Er war über Jahrzehnte das Gesicht des Bundesliga-Handballs in Buxtehude, saß 34(!) Jahre als Betreuer auf der Buxtehuder Bank. Am Wochenende ist Michael („Michel“) Jungblut im Alter von 75 Jahren verstorben.
Am 24. Mai hatte das Urgestein seinen letzten großen öffentlichen Auftritt. Da feierte der Buxtehuder SV mit einem Spiel der All-Stars aus 36 Jahren 1. Liga gegen die aktuelle Bundesliga-Mannschaft den ultimativen Abschied von der guten alten Halle Nord.
Michel genoss diesen Tag im Kreis seiner großen BSV-Familie und freute sich über das Wiedersehen mit vielen ehemaligen Weggefährten und Spielerinnen. Für die war Michel stets viel mehr als nur ein Betreuer, er war Mädchen für alles beim Team – stand Tag und Nacht bereit, wenn es Probleme gab.
Zugleich war er der Bundesliga-Obmann für Verein und Handball-Marketing. Keiner kannte sich mit Fragen von Spielbetrieb und Spielordnung, Passwesen und rechtlichen Bestimmungen besser aus als er. Seine Meinung war auch gefragt bei der Handball-Bundesliga Vereinigung der Frauen (HBF), die er
einst mitgegründet hatte.
Als damaliger Betreuer vom VfL Bad Schwartau legte er vor 38 Jahren ungewollt den Grundstock zum Aufstieg des BSV in die 2. Bundesliga. Jungblut hatte gegen die Wertung des Spiels seiner Schwartauer Frauen gegen Union Bramfeld Protest eingelegt. Bramfeld wurden Punkte aberkannt, Buxtehude profitierte und stieg auf. Da schrieb Jungblut zum ersten Mal Handball-Geschichte in Buxtehude.
Mit der ersten Zweitliga-Saison 1987 wechselte Michael Jungblut als Betreuer auf die BSV-Bank und zog auch beruflich und privat in die Estestadt. In seiner „Handball-Karriere“ ging es danach Schlag auf Schlag:
- Der umjubelte Bundesliga-Aufstieg am 8. April 1989
- Der 15. Mai 1994, als Michael Jungblut in Oslo stolz mit dem Europa-Pokal in der Hand durch die Halle lief.
Als der BSV diesen Triumph am 23. Mai 2010 in eigener Halle wiederholte, kam „Michel“ nach einer schweren Halswirbel-OP zum Unverständnis seiner Ärzte doch in die Halle. Michael Jungblut: „Das größere Gesundheitsrisiko wäre für mich gewesen, diesen Tag zu verpassen…“
Bis 2012 leitete er den Pflegedienst auf der Intensivstation im Elbe Klinikum Buxtehude. Der einsetzende Ruhestand galt aber nie für den Handball…
Auch danach blieb der Platz für den Offiziellen mit der Kennziffer „A“ auf der Buxtehuder Bank weiterhin fest in der Hand von Michael Jungblut, ebenso wie der 1. Platz vorne rechts im Bus auf jeder Auswärtsfahrt. So ging Jungbluts erfolgreiche Reise mit dem BSV immer weiter: Deutscher Pokalsieger 2015 und 2017.
Vertragsverhandlungen, wie sie mit Trainern und Spielerinnen üblich sind, hat es in 30 Jahren beim BSV mit Betreuer Jungblut nie gegeben. Manager Peter Prior pflegte immer zu sagen: „Der Mann hat doch eh einen Vertrag auf Lebenszeit…“
Den konnte Michel dann doch nicht ganz erfüllen. Bis Ende 2022 hatte er mit Bundesliga, DHB-Pokal, Europa-Cup und Testspiele knapp 1.000 Spiele „seiner“ BSV-Frauen auf der Uhr – hatte in all den Jahren kaum mehr als ein Dutzend Spiele verpasst. Doch am 30. Januar beim Heimspiel gegen Bad Wildungen blieb sein Platz plötzlich leer. Es war kurioserweise das erste Spiel mit Stühlen für die Offiziellen und die Auswechselspieler, weil der BSV als letzter Frauen-Bundesligist endlich die guten alten Turnbänke für diese Zwecke ausrangiert hatte. Jetzt war plötzlich nicht nur die Bank weg, sondern auch Michel. Der lag – schwersterkrankt – auf der Intensivstation des Elbeklinikums. Freunde und Angehörige bangten um sein Leben.
Dass er damals nach Wochen aus dem Koma erwachte und acht Monate später in die Halle Nord zurückkehren konnte, war für die Ärzte fast ein Wunder. Jetzt kam er im Rollstuhl und saß nur noch auf der Tribüne, aber die Legende war wieder da. Der Hallensprecher begrüßte ihn kurz vor Anpfiff, die Halle tobte und die Mannschaft schenkte ihm einen überraschenden Sieg gegen Dortmund. Ab jetzt kam das Urgestein wieder regelmäßig zu den Heimspielen in seine Halle Nord.
Zum 75. Geburtstag im Februar 2025 kamen viele Freunde zu ihm ins Pflegeheim, das All-Star-Game am 24. Mai wurde auch zu seinem Abschied.
Der Blick in die neue Halle Nord blieb ihm dagegen verwehrt. Auf dem Weg zum Tag der offenen Tür am 8. August erlitt er einen Schwächeanfall und kam ins Krankenhaus. In den Wochen danach häuften sich die gesundheitlichen Probleme. Sechs Tage vor der ersten Bundesliga-Partie in der neuen Halle ist er im Elbeklinikum verstorben – dort, wo er als Chef-Pfleger der Intensivstation 25 Jahren gewirkt hatte.
Der BSV wird am Samstag vor dem ersten Bundesliga-Spiel in der neuen Halle mit einer Schweigeminute des Mannes gedenken, dem Verein, Stadt und viele Menschen eine Menge zu
verdanken haben.
